Begrüßung
Renate Schmidt, 2. Vorsitzende
Grußwort der Stadt
Bürgermeister Jürgen Markwardt
Einführung
Kathrin Marie Arlt, KVHS, Freie Jurnalistin
Musikalische Beiträge
Schüler:innen der Musikschule Uelzen
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Kunst-Ausstellung – 750-jähriges Stadtjubiläum / November 2021 / Kathrin Marie Arlt
Als mich Petra Vollmer vor gut einem Jahr gebeten hatte, zur
Ausstellungseröffnung eine Rede zu halten, dachte ich: Super – eine gute Gelegenheit, um eine flammende Ansprache für die Systemrelevanz von Kunst und Kultur im ländlichen Raum zu halten.
Dann stellte sich für mich allerdings heraus: Es geht um die Einführung in die Ausstellung. Und damit ist natürlich klar, dass es nicht um die – von mir so wahrgenommene – Schieflage im gesellschaftlichen Wertesystem gehen soll. Ich versuche dem einfach mal gerecht zu werden.
Es geht heute um die Menschen, die hier ihre Bilder zur Schau stellen. Es geht um die von ihnen hier gezeigten Bilder und Werke. Und: Es geht um die Stadt, der sich die beiden engagierten Vereinigungen, Kunstverein & Bund Bildender Künstler*innen verbunden fühlen – um Uelzen.
Ein Blick auf Uelzen von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region. Und ein Einblick, wie künstlerisch tätige Menschen diese Stadt sehen.
Wie wertvoll dieser Blick sein kann, das wurde in den Vorworten des Ausstellungskatalogs bereits erwähnt: Der andere Blick … die vielleicht neuen oder anderen Perspektiven … neue Einsichten…
Wie kommen nun ausgerechnet die Künstler*innen dazu?
Und: Was haben wir davon?
Oder – wie Gerard vermutlich augenzwinkernd fragen würde: Was erlauben Kunst?
Meine Antwort wäre: Wir stolpern.
Und Kunst erlaubt uns freundlicherweise zu stolpern.
Quasi – für einen guten Zweck!
Stolpern für einen guten Zweck – wie geht das zusammen?
Alles um uns herum ist – mehr denn je und mit Riesenschritten – in Veränderung begriffen. Transformation ist ein großes Leitthema. Ebenso – und untrennbar davon: Digitalisierung. Corona und das Agieren innerhalb einer Pandemie – all das verlangt von uns mehr denn je Flexibilität – und viel Energie für ein Um-Denken.
Künstlerische Arbeiten mit Stift und Papier, mit Farben, Formen und Materialien bilden für diese Veränderungen so wertvolle Impulse. Die Auseinandersetzung mit Kunst, mit kreativen Experimenten, mit UnGesehenem, ästhetisch Erfahrbarem, noch nicht Vordefiniertem – das alles mag uns gedanklich stolpern lassen. Und es kann uns lehren, anders zu denken.
„Anders Denken zu können“ ist, meiner Meinung nach, ein fabelhafter Weg, um gut und gerne durch Umbruchzeiten zu gelangen. Wir hören ein Stück Musik, lesen einen überraschenden Text, sehen ein – vielleicht unverständliches – Bild.
Wir stolpern.
Unsere Gedanken werden für einen kleinen Moment vom gewohnten, reibungslosen, vielleicht ängstlichem, auf Sicherheit und Wellness konditionierten Weg abgebracht.
Individuelle Erfahrungen und Haltungen kommen auf den Prüfstand.
So kleine wertvolle Momente erhoffe ich mir, wenn ich mir zeitgenössische Arbeiten von kreativen Menschen ansehe.
In dieser Ausstellung, die im vergangenen Jahr und anlässlich des 750-jährigen Stadtjubiläums konzipiert wurde, haben sich Künstler:innen mit ihrer ach so vertrauten Umgebung auseinandergesetzt.
BLICK auf UELZEN
Einiges scheint tatsächlich vertraut. Beispielsweise die Bus-Muscheln in Petra Merz Collagen, die sich in einigen Orten noch als Unterstand für Wartende finden. Für Petra Merz erinnern sie an schützende und spielerisch-schöne Treffpunkte aus Kindertagen. Sie erinnern Sie an Pilze. Und diese finden sich in ihrem Bild eben nicht an der Straße, sondern inmitten von Birkenstämmen – familiär, geborgen.
Oder eines der Uelzer Lieblingssymbole – das Goldene Schiff. Claudia Krieghof-Fraatz setzt es auf die Straße – mächtig oder verlassen? Annette Grund lässt es auf die Reise gehen – verloren in einem sehr weiten Meer – eine Rückkehr oder ein Abschied – vielleicht: auf zu neuen Ufern? Bei Ulrike Bals lungert die Manet‘sche-Frühstücksgesellschaft vor dem Ratsteich. Georg Lipinsky lässt – hoffentlich nicht seismographisch – vor der Silhouette der Stadt eine Riesenwelle aufrauschen.
Die Uhl, die Rübe, der Ratsteich, das goldene Schiff, das Fachwerk in der Lüneburger Straße, die Marienkirche, die Industrie, die Landschaft, Hundertwasser, Zucker, Uelzener Persönlichkeiten… Hier finden sich Facetten der Stadt, ihrer Geschichte und Geschichten wieder.
… ein BLICK auf Uelzen eben – und dann wird dieser Blick etwas verrückt. In ganz unterschiedlichen Techniken und mit unterschiedlichen Perspektiven bewegen sich die Künstler:innen mit ihren Arbeiten weg vom gewohnt Vertrautem, dichten dazu, reduzieren auf einen Kern, suchen das Detail – und finden, wie Katja Schäfer-Andrea es in ihren Bildern zeigen will: „im Kleinen das Große“ – geben einen eigenen Blick wieder, verstören, verzaubern, ironisieren. So gelingt es, mit ihrer Sicht und Darstellung der Dinge über das Sichtbare und das Aussehen hinauszugehen.
Sie bringen etwas Neues hervor – etwas, das es nicht bereits gegeben hat. Sie überschreiten Bedeutungen, gehen über das Mögliche hinaus – schaffen neue Möglichkeiten.
Kultur – ob im Schauspiel, der Malerei, Literatur oder der Musik – kann es gelingen, einen Raum des „als ob“ zu öffnen.
Und damit öffnet sie Grenzen, lädt ein zum Diskurs, schafft friedlich Kontroversen.
Mit dem Blick auf Uelzen ermöglichen uns die Künstlerinnen und Künstler – in dem Wissen, dass es eine Referenz gibt – neue Reflexionsräume zu betreten. Und ich hoffe sehr, dass diese Ausstellung und vor allem das Potential, das sich in
den Kunstschaffenden und in der Kultur für eine Stadt findet, nicht „nur“ der Abschluss einer 750-Jahr-Feier sein wird.
Städte bestehen – in meinem Bild von Welt – nicht nur aus Wirtschaftskraft, Glasfasernetzen, historischen Bauwerken und Neubaugebieten, Arbeitsstellen, Verwaltungen, Symboltieren und Restaurants. Städte – also Gemeinschaften – bestehen aus Menschen – und aus Ideen und Gedanken, die wir vielleicht bei oberflächlicher, alltags-dienlicher Betrachtung erst einmal nicht brauchen – die aber so wertvoll sind.
Der viel-denkende Autor Roger Willemsen formulierte einmal: „Städte bestehen im Kern aus Erfahrungen und Erinnerungen“. Es gehe für ihn darum, einen Blick für die Stadt zu haben, der Qualität und Wert schaffe, nur dann könne „Lebensqualität“ entstehen. Und er ist sich sicher gewesen: „Das Wachstum der
Stadt nach innen hat keine Grenzen“*.
Kunst und Kultur können an dieser Stelle eine – dann doch – systemrelevante Rolle einnehmen. Und eine Human-Relevante – also eine, die nicht nur den Schein nach Außen wahrt, sondern den nach Innen ermöglicht und der für die Menschen, die hier leben, mitunter erhellend sein darf.
Zum Abschluss möchte ich Sie einladen:
Nutzen Sie die Werke zum Anlass eines Gesprächs. Tauschen Sie sich aus – über IHRe Stadt – und die Kunst. Was ist vertraut? Was schön? Was erschreckt Sie vielleicht? Bleiben Sie neugierig – stolpern Sie.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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* 2011, Rede von Roger Willemsen beim Neujahrsempfang der Stadt Mannheim