Georg Münchbach

"Paradigmenwechsel des Sehens"

Skulptur, Gemälde, Grafiken

08.08.2015 - 06.09.2015

Eröffnung: um Uhr
Atrium und Foyer des Neuen Rathauses
Herzogenplatz 2, 29525 Uelzen

Öffnungszeiten

Montag / Dienstag / Donnerstag 8.00 - 16.30 Uhr Mittwoch 8.00 - 16.00 Uhr Freitag 8.00 - 12.00 Uhr
Georg Münchbach Skulpturen
Georg Münchbach Skulpturen

Unsichtbare Energien

Vielleicht bedarf der Titel der Ausstellung, die der Kunstverein Uelzen noch bis zum 6. September 2015 im Rathaus-Atrium und Foyer zeigt, der Erläuterung: „Paradigmenwechsel des Sehens“ lautet der und klingt nach Oktroyieren. Will uns da einer aufzwingen, wie wir zu sehen hätten?

Eigentlich ist Georg Münchbach so einer nicht. Deshalb scheinen die Paradigmen zunächst nur für ihn zu gelten. Wie er als Maler und Bildhauer die Welt sieht. Weil: Das Wort aus dem Griechischen kommt und sich aus „para“ = neben und „deikuymi“ = zeigen, begreiflich machen, zusammensetzt. Der Besucher darf also gespannt sein, wie der Künstler aus Wittenwater uns die Welt zu erklären versucht, denn er hat für sich eine spezielle Art kultiviert.

Ob es Philosophie ist oder Physik? Oder Metaphysik? Die Betrachtung des Raumes und seiner Energie ist Georg Münchbachs Anliegen seit Jahrzehnten. Was macht die Energie mit einem Raum, mit einer Landschaft? Wer hier an Sonne, Wind und Wasser denkt, denkt falsch; Münchbach meint nicht die Kräfte, die Erosion bewirken, sondern Kräfte, die eigentlich nicht messbar sind. Die sich mehr mental entwickeln, eher einem Gefühl gleichen. Und die es doch gibt. Geben muss. Und vielleicht ist der 82-Jährige einer von denen, die, einem
Wünschelrutengänger vergleichbar, diesen Sog spüren?

Georg Münchbach wollte in den Begegnungen, die wir miteinander hatten, eigentlich nicht fotografiert werden. Und übers Alter reden wollte er schon gar nicht. „Der Mensch muss über sein Denken und Empfinden definiert werden“, sagt er. Um zu ergänzen: „Ich bin auch kein Künstler, ich bin Maler und Bildhauer.“ Es soll hier nicht spekuliert werden, was an diesen beiden Äußerungen Koketterie ist.

Münchbach arbeitet zwei- und dreidimensional oft zum Thema „Tal“. Er kommt aus Freiburg/Breisgau und liebt den Schwarzwald. Sind seine „Täler“-Bilder und -Skulpturen ein heimliches Heimweh? Nein, eigentlich nicht, sagt er. Sie seien eher „Reaktionen“ auf Befindlichkeiten, eine „morphologische Untersuchung, warum sich Menschen in einem Tal so wohl fühlen“. Sie seien Rückzugsgebiet („Wenn ich zornig bin, male ich eine Schlucht!“) und Erfahrung und Verdeutlichung von Raum.

Seit rund 50 Jahren lebt Münchbach in Wittenwater. „Ich brauche die Landschaft, alles was ich mache, lebt von diesem Land“. Und trotzdem Täler? Also doch Heimweh? In einem
Katalog hat er Texte zu seinen Bildern gestellt, die Bände sprechen. „…aber das menschenfern/das könnt mich sprengen/vor lust, /das menschenfern.“

Meist wollen die Menschen ja Harmonie und nichts, was an ihnen reißt; sie versuchen es mit Feng Shui, aufgestellten Edelsteinen, Yoga oder ähnlichem. Georg Münchbach jedoch braucht die unsichtbaren Ströme, will sie empfinden. „Es gibt Orte und Plätze, die für Arbeit gut sind“, sagt er. „Danach allein muss ein Ort gewertet werden.“

Er lebt auf einem Anwesen, das Wilhelm Rieckmann, Dichter und Bauer, im Jahr 1912 errichtete. Ein riesiges Anwesen, ein überdimensioniertes Haus, das eine Unmenge Platz für Werkstatt, Atelier, Bilder und Skulpturen bietet. Daneben nimmt der große parkähnliche Garten seine Werke in sich auf, eine Wechselwirkung von Kunst und Natur wie kaum anderswo auf privatem Grund.

So wie der Impressionismus das Licht für sich entdeckte, so habe er für sich den Raum erkoren, sagt Münchbach. Raum, der Energie ist, die er darstellen will. – Nun ist es schwierig, etwas darzustellen, was man nicht sieht, was nicht einmal messbar, sondern nur fühlbar ist. Vielleicht – um es ein wenig zu verbildlichen – einer Angst vergleichbar scheint, die man im Wald empfindet, wenn die Vögel vor einem Gewitter alle schweigen. Nur Stille, Dickicht, Bedrängnis, auch wenn man es nicht erklären kann. Georg Münchbach würde es Energie nennen und vielleicht hat er Recht.

So verwebt er seine Theorie von der „Raum-Energie“ – mit der sich Physiker zwar beschäftigen, die aber immer noch unbewiesen ist – mit seiner Kunst. „Es geht nicht darum, schöne Bildchen zu malen“, insistiert er, wenn ihm ein Zuhörer nicht zu folgen vermag. Eines aber ist Fakt: Anstecken kann Münchbach jeden Zuhörer mit diesen Überlegungen. Denn es
ist die alte Gretchenfrage nach Name und Gestalt dessen, was man nur fühlt, nicht sehen und schon gar nicht benennen kann.

Die Werke des Malers und Bildhauers, der in Freiburg Kunst und Philosophie studierte, sind trotzdem vor allem eindrucksvolle Optik. Also doch irgendwie „benannt“. Der Betrachter muss nicht nach dem Wie des Entstehens fragen, wenn ihm das zu kryptisch erscheint; wenn seine Vorstellung ihn verlässt bei der Frage, wie sie funktionieren soll, die Energetik des Raumes und wer von wem abhängt, gar, wer zuerst da war. Die Skulpturen seien „alles Landschaften“, so ihr Schöpfer. Landschaft, die durch ihn „zum Träger physikalischer Wirklichkeiten erhoben wird und nicht mehr nur Träger von Stimmungen“ ist. Auf seinen Bildern wühlt die Farbe, die Emotionen zugeordnet wird. Zumindest das ist nicht neu.

Aus seinem Atelier stammt übrigens der Brunnen am Schnellenmarkt Uelzen, diese hoch aufgerichtete Säule, die die Faszination des Bildhauers für die Megalithkultur verrät. Genau
wie seine „Venus 2000“ im Stadtgarten.

Georg Münchbach gestaltet Verhältnisse, die Formen (Räume) miteinander eingehen. Auf seinen Bildern mit einer Bandbreite an Stimmungslagen, die sich auch in den großzügigen, entschiedenen Strichen spiegeln. Er löst seine Landschaften in Licht und Luft auf oder erdet sie – mit den Skulpturen am deutlichsten. Was diesen Darstellungen Bedeutung gibt, ist wohl die verbrachte Zeit mit ihnen, die eingegangene Wahlverwandtschaft. Manchmal empfindet der Betrachter die „bis zur Weißglut erhitzte Natur“ (van Gogh), manchmal beunruhigt das aus dem Gleichgewicht Geratene „Was wirkliche Bilder sind, das registrieren wir oft erst nach einer längeren Zeit der Erinnerung“, sagt Georg Münchbach, der nicht an das Untergehen in der viel beschworenen Bilderflut der Gegenwart glauben mag. Vielleicht auch, weil die Erinnerung an die Täler seiner Heimat, seiner Kindheit, so übermächtig ist?

In der Uelzener Ausstellung sind großformatige Bilder und Skulpturen zu sehen. Die Bilder tragen so sprechende Titel wie „Acker-Raum“, „Wittenwater-Raum“ oder „Machandelbaum-Raum“. In letztem scheint das Blut, das im Märchen fließt, mitzuglühen! Die Skulpturen sind aus Holz oder Stahl. Ein „Löwe von Nemea“ – dieses vermeintlich unverletzbare Tier, das von Herkules erwürgt wurde, der sich aus dessen Fell einen Umhang kürschnerte. Bei Münchbach sieht der Leu weniger gefährlich aus – aber das ist wohl jetzt das falsche
„Paradigma“ des Sehens!

Die Figuren aus Stahl oder Holz pendeln zwischen hoch aufgerichtet oder kompakt gedrängt. Selbstbewusst gereckt oder ängstlich geduckt? Kompakte Energie oder trudelnder Strudel? Es scheint, dass Georg Münchbach es uns mit dem Titel der Exposition frei stellt, als was wir seine Werke begreifen wollen. Herausgerissen aus der Raum-Energie, in der sie geschaffen wurden, stehen sie aber doch manchmal ein wenig einsam im Rathaus-Atrium, hängen die Großformate im kleinen Foyer auch deplaciert. Da braucht`s halt Fantasie und Gespür wenn man vor ihnen steht. Und vielleicht auch diesen gewissen Blickwinkelwechsel!

Barbara Kaiser
8. August 2015