Simone Lietzkow

"Aus gegebenem Anlass"

Malerei

15.02.2025 - 23.03.2025

Eröffnung: 15.02.2025 um 17:00 Uhr
Galerie im Theater an der Ilmenau
Greyerstraße 3, 29525 Uelzen

Öffnungszeiten

Samstag 15 – 18 Uhr Sonntag 11 – 13 Uhr und 15 - 18 Uhr; Besuch von Gruppen nach Absprache mit der 2. Vorsitzenden des KVU Renate Schmidt, Tel. 0581-76675 oder 0170-332 50 29
Simone Lietzkow_Unangespitzt in den Boden_2023_145x100
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„… dass sich Auseinandersetzungen entzünden“

Zur Kunstvereinsausstellung mit Bildern von Simone Lietzkow – 15. Februar bis 23. März 2025 in der Theaterkeller-Galerie

Die Kunst sei höchste Form der Mahnung, aber auch der Hoffnung, war sich der Bildhauer Wieland Förster, der in diesem Monat 90 Jahre alt wurde, sicher. Das verinnerlichend und vor den Arbeiten von Simone Lietzkow stehend, ist vor allen Dingen Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich Künstler:innen in diesen Zeiten, in denen die Welt an allen Ecken nicht nur im Wortsinne brennt, darauf besinnen, dass sie etwas bewirken soll(t)en mit ihren Arbeiten. Dass ihre Bilder Stachel des Nachdenkens zurücklassen beim Betrachter. Dass sie sich nicht verlieren und verirren in informellen Strukturen und bunter Kleckserei, sondern dass ihre Kunst auch Botschaft habe. Keine schreiend-schrille Agitprop-Kunst – nein, das nicht, aber ein Erschrecken, ein Innehalten, die Erkenntnis, dass Kunst im Verhältnis zum Leben immer ein Trotzdem ist.

Der Kunstverein Uelzen hat sich in seinem 50. Jahr zur ersten Ausstellung eine Künstlerin eingeladen, die diesem Anspruch gerecht wird. Simone Lietzkow; geboren 1967 in Düsseldorf, studierte Juristin mit einem Meisterschülerabschluss bei Professor Markus Lüpertz, stellt ihre Arbeiten zum Thema „Aus gegebenem Anlass“ vor. Was ist bei ihr ein „gegebener Anlass“, ein Anstoß, ein Impuls, eine Reaktion auf ein aktuelles Thema?  Es ist nicht immer so einfach, nicht immer ist es Wut-Reaktion wie auf dem Bild der Einladung: Auf ihr steckt ein Mann kopfüber in der Erde, heißt folgerichtig „Unangespitzt in den Boden“. Die Arbeit entstand ziemlich unmittelbar nachdem die Künstlerin von einem Autofahrer erst beinahe umgefahren und danach auch noch beschimpft wurde. Unflätig, unverschämt, impertinent, anmaßend. Solche Kerle kann man nur unangespitzt in den Boden rammen; klappt bloß nicht immer. Leider.

Aber natürlich sind die anderen (meist) Großformate nicht von solch simpler Deutung. Obwohl Simone Lietzkow möchte, dass ihre Bilder „auch von Leuten verstanden werden, die nicht zuallererst die kunstaffinen Betrachter sind.“ Bilder seien ja dazu da, dass sich Auseinandersetzungen an ihnen entzünden, zeigt sich Lietzkow im Gespräch überzeugt. – In der Ausstellung gibt es Motive, die „sich über eine lange Zeit entwickelt haben“. Zum Beispiel „Europa“. Die knapp zwei Mal eineinhalb Meter werden dominiert vom Blau des Mittelmeeres. Das Flüchtlingsboot ist eine dieser Spaßbananen, die in Urlaubsregionen zur Belustigung schwimmen. Die ersten, die darauf saßen, sind schon abgestürzt, dass es keine  Urlauber waren, muss man nicht erklären. Auch die Prinzessin Europa ersäuft, Stier Zeus hat sie lange abgeworfen, weil er sein eigenes Leben retten will. Im Vordergrund  der Arbeit allerdings das Bild des kleinen syrischen Jungen, dessen Foto  um die Welt ging – als er ertrunken an den Strand gespült worden war… Die Konsequenz muss sich der Betrachter denken: Werden die Flüchtlinge auch Europa in den Strudel des Untergangs reißen? Das wäre eine Position der politischen Rechten. Oder ist irgendwo eine Kraft für ein neues, stärkeres, solidarisches Europa zu sehen? Das Thema jedenfalls hat die Malerin umgetrieben. Fertige Antworten hat auch sie nicht.

Ähnlich wie bei „Prometheus“ aus der Reihe „Gefallene Götter“ (ein Hermes ist im Entstehen). Die Künstlerin hinterfragt damit die Rolle des Mannes nach all den Jahrzehnten der Feminismusdiskussionen. Die Position des vermeintlich „starken Geschlechts“ ist eine andere geworden in der Gesellschaft, zum Glück. Ist es eine, dass man sich Sorgen machen muss, werden die Verhältnisse jetzt umgedreht? Der Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte und damit erst Entwicklung ermöglichte, kauert deprimiert am Boden. Das Feuer ist zur Zigarettenglut verkommen, und sein Gesichtsausdruck scheint zu sagen: Was kann ich hier noch tun?

So gibt es zu jedem Bild auch eine Geschichte. Was man von Kunst grundsätzlich erwarten sollte. Man muss sie als Betrachter nicht auserzählen können, denn wenn man Kunst vollständig, endgültig verstehen will, verstanden zu haben glaubt, bleibt doch kein Widerhaken, der Denken fortsetzt, weiterführt und – lenkt. Verstandenes legt man zu den Akten. – Simone Lietzkows Kunst aber rumort weiter: „Polonaise“ beispielsweise, wo verschiedenen Altersgruppen gefährlich nahe am Abgrund diesen Faschingstanz aufführen. Die Welt geht unter, aber wir haben Spassss? Fliegen nach Afrika auf „Safari“ und schießen als Tourist und gegen Entgelt diese wunderbaren, majestätischen Tiere ab! Man möchte in die grienende Fresse dieses Jägers, der da posiert mit dem Leoparden, schlagen! Diana, die Göttin der Jagd, hockt klein daneben, den Kopf auf den Knien, man meint, sie verzweifelt schluchzen zu hören. Oder man will den Damen an ihren Smartphones, die sich unter einem durchsichtigen Regenschirm eingerichtet haben, während rings um sie die Welt vermüllt wird beziehungsweise absäuft, zurufen: Blickt doch endlich mal um euch, bleibt nicht in eurer verdammten Internet-Bubble stecken!

Susan Sonntag hat einmal gesagt, die Interpretation sei „die Rache des Verstandes an der Kunst“. Aber braucht`s nicht erst einmal eine große Portion Verstand, solche Werke, wie die von Simone Lietzkow, zu erschaffen? Braucht es nicht Weltsicht statt Elfenbeinturm? Es ist handwerklich wie künstlerisch inspirativ große Kunst, die die Ausstellung bietet. Und so ist der Gang hindurch eine Entdeckung.  Zwischen traurigen „Corona-Kids“, weggesperrt  hinter Fenstern, lustigen „Qua(e)tsch-Köpfen“, plattgedrückt an Glasscheiben oder den „Future-Bodies“, alte Akt-Körper, auf einem Weg, den wir alle am Ende gehen müssen. – Was wir heute wissen, denken wir morgen vielleicht anders. Aber denken sollten wir! Simone Lietzkow ist keine Agendakünstlerin. Aber sie seziert (auch gesellschaftliche Verhältnisse) und zeigt. Was manchmal verstörend (und anregend) genug ist. Bis zum 23. März ist die Ausstellung geöffnet, samstags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr. Und während der Theaterveranstaltungen.

Barbara Kaiser – 14. Februar 2025

Werke

Bilder der Eröffnung