Galerie im Theater an der Ilmenau
Greyerstraße 3, 29525 Uelzen
Samstag 15 – 18 Uhr
Sonntag 11 – 13 Uhr und 15 – 18 Uhr;
Besuch von Gruppen nach Absprache mit
der 2. Vorsitzenden des KVU Renate Schmidt,
Tel. 0581-76675 oder 0170-332 50 29
Ich will Geschichten erzählen
Zur Ausstellung von Patrick Fauck im Kunstverein Uelzen
Patrick Fauck erinnert an einen Gaukler: Mit wildem Haar, den offenen, für sich einnehmenden Zügen, die immer ein Lächeln bereit zu haben scheinen, könnte er auf jeder Theaterbühne bestehen. Wenn er erzählt malen sich Bilder im Kopf des Zuhörers. Aber was wäre Patrick Fauck anderes als ein Gaukler? Er ist Künstler. Druckgrafiker. Und das aus
Passion, wie er betont. Jetzt stellt der Wahlbürger Leipzigs seine Werke im Schloss Holdenstedt aus. Vernissage ist am Samstag, geöffnet die die Ausstellung bis 6. Mai. Glaubt man dem Mann, ist sein Patenonkel schuld. Der sagte einmal zu dem Kind Patrick: Es gibt nichts auf der Welt, was es nicht gibt. „Da konnte ich mir alles ausmalen“, erinnert sich der 48-Jährige bis heute. „Auch einen Tisch mit Ohren! – Und wenn es den nicht gibt, erfinde ich ihn eben!“
Fauck wurde 1970 im Saarland geboren. Er studierte an der Fachhochschule für Gestaltung Mannheim mit Abschluss Grafik-Design (FH, 1992/96), danach an der Universität Heidelberg Kunstgeschichte und Philosophie mit Magisterabschluss (1996/2005), sattelte dann ein Aufbaustudium an der Hochschule für Kunst und Design Halle-Burg Giebichenstein auf, um hinterher an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst von 2008 bis 2011 ein
weiteres Diplom zu erwerben.
Das ist eine ungeheure Menge „Input“, wie man heute neudeutsch sagte. „Ich muss ja von irgendwas zehren“, begründet es Fauck. „Musste das Gefäß erst vollfüllen; Auge,
Verstand…“ Jetzt schöpft der Künstler aus diesem „Gefäß“ und verschwendet seine Ideen, seine Kreativität, seine Produktivität an uns Betrachter. Es ist eine Freude – davon können sich alle überzeugen!
Patrick Fauck verschrieb sich der Druckgrafik seit der ersten Ausbildung in Mannheim. Erbetrachte dieses Genre der bildenden Kunst nicht als schmückendes Beiwerk wie andere
seiner Kollegen, sagt er. Für ihn sei diese Technik „Laboratorium und großes Experimentierfeld“. Er ist auf nahezu allen Gebieten versiert; im Holz- oder Linolschnitt
ebenso wie in der Radierung oder Lithografie, im Siebdruck oder – viel seltener, weil unendlich komplizierter – dem Lichtdruck. Meist sind seine Blätter Kombinationen, die aus
seiner Leidenschaft fürs Ausprobieren entstehen.
Mein Lieblingsblatt der Ausstellung ist der „Schwarzfahrer“. Da kurvt einer mit dem Fahrrad rasant durch die Nacht, die von einem Vollmond und zahllosen Sternen erhellt wird. Die
Straßenlaterne ist schon ausgeschaltet – die Kommune spart Strom, der Mann trägt einen Smoking mit Fliege. Ist es ein Musiker, der von seinem Auftritt nach Hause radelt? Er müsste
der Piccolo-Flötist sein, denn ein größeres Instrument ist nicht zu sehen. Auf keinen Fall aber ist er einer, den der Titel suggerierte: Jemand, der den Fahrpreis fürs öffentliche
Verkehrsmittel prellt.
Fies dagegen finde ich „Blue Monday“, auch wenn der Künstler beteuert, es sei doch das Leben. Er hat Recht. Trotzdem tut mir die plattgefahrene Katze auf der Farblithografie leid,
das Auto rast in der Ferne davon. Dabei kann der Titel genauso über ganz anderes sprechen: Blue ist die Farbe einer Stimmung, hängt man ein „s“ an, wird es depressiv. Der Montag kann aber auch der Tag sein, an dem man blau macht, also die Arbeit schwänzt. Eine Variante der Herleitung für den blauen Montag soll aus der Waidfärberei kommen, an diesem Tag entwickelte sich die blaue Farbe, trockneten die Leinenstücke auf der Wäscheleine und die Handwerker (in Thüringen wird die Pflanze seit über 1000 Jahren kultiviert) hatten frei.
Man muss bei Patrick Fauck um die Ecke denken. Das macht großes Vergnügen. Der Künstler illustriert eine Redensart oder eine Wendung auf die Art, dass sie konterkariert, auf den Kopf gestellt oder ad absurdum geführt wird. Seine Blätter sind eine Feier der Fantasie und haben doch mit der Realität zu tun, weil seine Bilder weitere, andere wachrufen – die in
uns angelegt sind. Ohne geschwätzig zu sein, lassen die Grafiken das Auge mäandern zwischen all den Dingen, die es zwischen Himmel und Erde gibt (oder auch nicht). Fauck ist ein visueller Detektiv, ein Beobachter, der menschlicher Kurzatmigkeit beharrlich entgegen wirkt, weil man verweilen muss vor seinen Arbeiten. Dazu ist er ein großer Spieler,
der dennoch mit Ernst bei der Sache ist und den Humor keinesfalls vernachlässigt. „Wenn ein Schmunzeln auf das Gesicht kommt, kann man die Leute packen.“ – Das will Fauck. So lässt er eine zweite Katze am Fischglas stehen: „Miau. Am Haifischbecken“ Die will doch nur spielen! Oder sollten wir Menschen uns im täglichen Kampf nicht allzu wichtig nehmen; die Katze über uns lauert auch schon? Seine „Drunken Sailors Offshore“ sind ins Wasser gefallen. Diese zwei Figuren, (wieder) auf einem blauen Blatt, sind vom stürmischen Element umgeben und haben keine Planken unter den Füßen… Faucks Bilder sind nicht hoffnungslos verrätselt, jeder kann für sich eine Bedeutung finden. Ganz individuell.
Patrick Fauck ist ein frecher Ironiker und ein Philosoph. Er gibt der Simplizität und Kompliziertheit dessen, was wir Leben nennen, einen Ausdruck. Und das in einer künstlerischen Technik, die gerade auf Antrag des Museums für Druckkunst Leipzig und des Bundesverbandes Bildender Künstler (BBK) ins Immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde: Alle Varianten der Druckgrafik. Der Kunstverein Uelzen ist also mit seinem Jahresprogramm 2018, das nur Ausstellungen mit Grafiken anbieten wird, absolut tagesaktuell. Ein Bild im Schloss trägt den Titel „Diamonds are forever. (Denker)“. Darauf überzieht ein Netz mit geometrischen (Mineral)Strukturen einen Männerkopf: Es könnte Auguste Rodin sein. Aber dieser Denker schaut nicht grüblerisch zu Boden, sondern uns an, obwohl auch er die Hand ins Kinn stützt. Im Vordergrund liegt ein geschliffener Brillant.
Was gibt uns Fauck da für eine Denkaufgabe? Die Ewigkeit von Diamanten ist der Unvergänglichkeit wahrhafter und wahrhaftiger Kunst ähnlich; nur Feuer kann beide
vernichten. Rodin gehört ohne Zweifel in den Kanon der Weltkunst. Der sagte übrigens einmal: „Bevor ich daran gedacht habe, ein Künstler zu werden, wollte ich erst einmal ein guter Handwerker sein.“ Ein exzellenter Handwerker ist Patrick Fauck ohne Zweifel. Was die Unvergänglichkeit seiner Denkanstöße fordernden Kunst angeht, so wird das die Zeit lehren.
Barbara Kaiser
04. April 201
Ich bedanke mich herzliche über die Einladung des Kunstvereins Uelzen zur Ausstellungseröffnung in das Schloss Holdenstedt. Die Räume sind eine wunderbarer Resonanzkörper, der die Arbeiten von Patrick Fauck zum Klingen bringt.
Auch bin ich sehr angetan vom Jahresprogramm des Kunstvereins, der 2018 fast nur Grafik zeigt. Druckgrafik wird häufig sehr stiefmütterlich behandelt. Hier erhält sie die
Aufmerksamkeit, die sie verdient. Mögen sich viele andere Institutionen und Häuser daran ein Beispiel nehmen.
Patrick Fauck gab mir für heute Abend mit auf dem Weg, wie der Titel „Nichts, was es nicht gibt“ geboren wurde. Es ist ein Satz, der den Künstler schon fast sein ganzes Leben begleitet. Er stammt von seinem Onkel. Als Kind zu einer Zeit, zu der man sich Gedanken macht, was wahr ist und erfunden, was man als Mensch machen kann und darf und was nicht, sagte der Onkel zu ihm: „Es gibt nichts, was es nicht gibt“. Mit
diesen Worten stößt er eine Tür auf, die von der Begrenztheit der Dinge wegführt zur eigenen Phantasie. Es verspricht, dass Imaginiertes Wirklichkeit werden kann. Man sollte seine Kreativität nicht entlang des Machbaren denken, sondern seiner Phantasie Raum geben, unbekümmert und ohne sich selbst Grenzen zu setzen Kombinationen und Figuren erfinden, die im normalen Leben nicht denkbar wären. Hier liegt eine
starke Quelle menschlicher Schöpfungskraft, die nicht nur Künstler inspirieren sollte. Trotzdem ist die Kunst Patrick Faucks keine abgehobene eigene Phantasiewelt, sondern scharfe Beobachtung Menschen, Tieren und Gegenständen, die er in humorvolle und oft surreale Zusammenhänge setzt.
Patrick Fauck nutzt unterschiedliche Drucktechniken, und er kombiniert sie auch miteinander. Viele Blätter sind so ideenreich, dass man manchmal schon etwas genauer hinsehen muss, um den Überblick zu gewinnen oder um Details zu erkennen und damit Zusammenhänge. Sein Reservoir an Motiven ist schier unerschöpflich, auch
wenn viele Themen sich wiederholen, wie beispielsweise Männer im Anzug, Autos, Bäume, Kunst und mehr. Alle diese Motive finden sie auf dem Bild des Plakates vereint. Man fängt zwangsläufig an, die einzelnen Motive in Verbindung zu bringen und stellt sich Fragen, beispielsweise zur Venus im Baum (Oder ist es die Nymphe Dapfne, die sich vor Apollo flüchtend in einem Baum verwandelte? Warum rennen die
Männer dort hinten? Welche Rolle spielt der Unfallwagen und das Kleinflugzeug? Bei einer Kunsthistorikerin, die auf das Erkennen von Bildern, Motiven und Figuren getrimmt wird, führen viele Spuren, weil sie nicht zusammenpassen wollen, in die Irre.
Und – ich höre und sehe Patrick Fauck an dieser Stelle etwas schmunzeln – der Künstler hat etwas ganz anderes gemeint. Man braucht eigentlich nur auf den Titel schauen „Kunst am Bau“ und etwas einfacher denken, dann kommt man auf den
verblüffend einfach angelegten Kern: Der Specht hat seinen Bau, also seinen Wohnplatz im Baum. Nun will er sich mit Kunst umgeben. Da ist es naheliegend, dass er sich das Sinnbild für Kunst und Schönheit – die Venus von Milo – mit seinem hämmernden Schnabel selbst aus dem Baum schlägt. – „Es gibt nichts, was es nicht gibt“.
Mich persönlich hat es sehr gefreut, dass Till Eulenspiegel auf vielen Blättern in dieser Ausstellung vorkommt, gehörten doch seine Geschichten zu meiner Kindheit. Es ist kein Zufall, dass auf erstaunlich vielen Arbeiten von Patrick Fauck Til Eulenspiel
erscheint. Der Künstler und der spätmittealterliche Schalk haben mindestens eines gemeinsam: Sie nehmen gerne einmal etwas So-daher-Gesagtes beim Wort.
Ich denke, ich kann davon ausgehen, dass die meisten von Ihnen die Episode in Uelzen mit Till Eulenspiegel beim Bäcker kennen, wo er – wie so häufig – sein Gegenüber bewusst beim Wort nimmt, und mit ihm damit Schabernack treibt, in dem er die Arbeitsweise „im Mondschein beuteln“ so auslegte, dass er das Mehl nachts im Mondstrahl in den Hof siebte. Er nahm den Bäcker beim Wort und tat trotzdem nicht das Erwartete.
Auch Patrick Fauck spielt immer wieder mit der Bedeutung von Worten und deren Verknüpfungen. Vergessen Sie bitte einen Moment, dass das Wort „Händler“ von „handeln“ kommt. Es leitet sich ganz offensichtlich von „Hand“ ab und so ist es nicht
verwunderlich, dass auf dem Blatt „Reifenhändler“ zwei Hände mit vielen Autoreifen spielend jonglieren. Dies Bild ist fast ein Rebus. Oder auf einem anderen Blatt liegt der „Hase im Pfeffer“ wörtlich im auf dem Bildgrund verstreuten Pfefferpulver, dass Patrick Fauck aufwendig und akribisch in die Platte gepunzt hat.
Trotz der angenehmen Farben, der niedlichen Kaninchen, Katzen, Rehe und allerlei kurioser Situationen sind viele Bilder dieser Ausstellung nicht leicht zu rezipieren. Nimmt man sich jedoch etwas Zeit, die Figuren, Gegenstände und Szenen genauer zu betrachten, kann man darin viel über die eigene Existenz erfahren, die auch angesichts von Tod und Gefahr immer wieder überdacht werden sollte. Da der ehrliche Blick auf die Brüche, die Absurditäten und Abgründe jedoch mit einer gehörigen Portion Wortwitz und Humor gewürzt ist, wird der Gang durch die Ausstellung sicherlich anregend und unterhaltend. Dazu trägt auch die ungewöhnliche Fülle von
Drucktechniken bei, die auch Grafikkenner in Erstaunen setzten wird.
Patrick Fauck ist Grafiker aus Leidenschaft – das sieht man seinen Arbeiten an. Wenn er selbst von seiner Passion spricht, fallen enthusiastische Stichworte wie „Faszination, Kunstwollen und Tatendrang“, geheimnisvolle Verweise auf Alchemie
oder „Schwarze Kunst“. Grafik ist sein „großes Experimentierfeld“, auf dem seine Arbeiten Form gewinnen. Die von ihm handwerklich perfekt beherrschten Drucktechniken fesseln ihn, sowohl die heute klassisch bewährten Standardtechniken wie beispielsweise Lithografie, Radierung oder Holzschnitt, aber auch eher exotische weil schon fast ausgestorbene Techniken wie den Lichtdruck.
Erwähnenswert ist auch der Materialdruck, für den er direkt beispielsweise Prägetapeten oder Reiskörner in das Papier druckt. Patrick Fauck eignete sich diese heute leider nicht mehr selbstverständlichen Fähigkeiten in umfangreichen Studien und jahrelanger Erfahrung an. Nach einem Grafik-Design-Studium in Mannheim, schließt er ein Studium der Kunstgeschichte und Philosophie mit Abschluss Magister Artium in Heidelberg an. Wenn Sie auf seinen Blätter kunsthistorische oder philosophische Anspielungen sehen, können Sie sich sicher sein, dass sie absichtlich und mit Hintersinn gelegt worden sind, manchmal allerdings, um uns dann schalkhaft in die Irre laufen zu lassen. Nach der Theorie zieht es ihn wieder zum kreativen Schaffen an zwei der besten Akademien für Grafik in der ehemaligen DDR: Schloss Giebichenstein und die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Heute lebt und arbeitet der im Saarland Geborene in Leipzig. Dies ist insofern naheliegend, weil er dort den künstlerischen Lichtdruck für sich entdeckt hat und in Leipzig eine der ganz wenigen funktionsfähigen Lichtdruckwerkstätten auf der Welt steht.
Für die meisten von Ihnen wird Lichtdruck kaum ein Begriff sein, deshalb erlauben Sie mir einige erklärende Worte zur Technik: Auf einer Platte wird eine lichtempfindliche Emulsion aus Chromatgelatine aufgebracht und im Halbdunkel getrocknet. Diese wird anschließend von einer Fotografie, einem Halbton-Negativ, belichtet. Nach dem Kopieren werden die Druckplatten in ein 5° bis 10°C temperiertes Wasserbecken getaucht. Dieser Vorgang ist in etwa mit dem Belichten und Entwickeln eines Fotos zu vergleichen. Das Wässern bewirkt ein Ausschwemmen der nicht belichteten Bichromate sowie die endgültige Ausbildung des Runzelkornes, dem Element, dass später auf das Papier gedruckt wird. Das Runzelkorn ist so fein, dass man es nur unter einer Lupe oder
einem Fadenzähler erkennen kann. Diejenigen Stellen der Kopierschicht, die durch das Licht stark gehärtet werden, schrumpfen ein und quellen unter Wasser nicht mehr auf.
Sie nehmen später die Druckfarbe an. Partien, die kein oder nur wenig Licht bekommen haben, quellen dagegen auf und nehmen Wasser beim Befeuchten der Druckform auf. Durch das aufgenommene Wasser stoßen die unbelichteten Stellen der Glasplatte Druckfarbe ab und können so beim Druck keine Farbe abgeben. Hier ist die Technik ähnlich der Lithographie
Mit keiner anderen Technik können bis heute so feine Linien und Verläufe in allen Tonwerten in einem Druckgang hergestellt werden. Die tiefsten Schatten bleiben durchzeichnet, die Halbtöne echt, die Lichter zart bis spitz.
Auch die Farbechtheit des Lichtdrucks wird von keinem anderen Druckverfahren erreicht. Ursprünglich als reine Reproduktionstechnik genutzt, entdecken Künstler die
Möglichkeiten der künstlerischen Bearbeitung. So benutzt Patrick Fauck in dem Blatt Pin-uups reale Pins (also Heftzwecken) als Direktbelichtung. Sie erhalten im Vergleich zu den collagierten Motiven eine Anmutung wie ein Objekt auf einem Röntgenbild, in Vergleich zu den Pin-up-Girls, die etwas plastischer erscheinen. Der Lichtdruck eignet sich auch hervorragend, um Blätter herzustellen, die von weitem wie Collagen wirken. Und Patrick Faucks Arbeitsweise hat sehr viel
Ähnlichkeit mit einer Collage. Aus einem großen Vorrat von Zeitungsauschnitten, Fotos und weiterem Material setzt er neue Bilder zusammen. Er ist dabei weniger ein Planer, der schon am Anfang genau weiß, wo er welches Motiv oder Fragment hinsetzt, sondern eher ein „graficus ludens“, ein spielender Künstler. Im anscheinend selbstgenügsamen, zweckfreien Spiel versucht er über Zufälle und experimentelles
Ausprobieren vieler Möglichkeiten einen neuen Sinn zu finden. Im Idealfall mündet dieses kreativ-zufällige Neuordnen der vorgefundenen Welt in eine neue Erkenntnis für die eigene Persönlichkeit und die Weltsicht.
Das Verspielte bleibt in den Bildern erhalten. Patrick Fauck setzt auch immer wieder Humor ein, der selbst Bildern mit bedrohlichen Themen wie Unfall und Tod eine versöhnliche Wende gibt. Gerne erzählt er dabei ganze Geschichten, und was für welche!
Ein Beispiel: Auf dem Blatt „Bernburger Szenario“ wird Patrick Fauck von einer schier unbändigen Fabulierlust gepackt. Vom heutigen Bernburg erkennt man noch den Hasenturm, in dem Patrick Fauck als Stipendiat gewohnt hat, oder das gotische
Maßwerk der Klosterruine, vor dem Till Eulenspiegel tanzt. Auf der Kanzel finden wir den Schalk wieder. Aber anstatt sich genüsslich über den Braten herzumachen wie es die Bernburger Legende erzählt, sinniert er über einen Schädel wohl über das Sein oder Nichtsein. Zur Ruhe kommt er nicht, weil sich hinter ihm wohlgelaunt die Biene Maja nähert.
Was haben wir hier vor uns: Zweifelsohne ein collageartiges Blatt, das die Erfahrungen und Erlebnisse des Künstler in Bernburg zeigt, ergänzt durch viele weitere Bildelemente. Die Komposition ist anders als die meisten Bilder dieser Ausstellung. Durch die auffällige Wiederholung wird Till Eulenspiegel zur Hauptfigur. Er ist zweimal abgebildet.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie man im Mittelalter Heiligengeschichten erzählt? Dort erscheinen hintereinander erzählte Teile der Geschichte simultan auf dem gleichen Bild. Und das Personal des Bernburg-Blattes könnte aus Bilderzählungen wie der Grafik Novel oder dem Comic entstammen. Könnte das „Bernburger Szenario“ nicht auch eine ganze Geschichte erzählen? Sie könnte so lauten: Till Eulenspiegel hat in einer Kirche zu viel Schabernack getrieben und wird mit Fallschirm in eine von Piraten besetzte Kleinstadt abgeworfen. Der Empfang ist eher unsanft, da er beinahe von einem alten VW-Käfer angefahren wird und nur durch ein Wunder nicht von einer ominösen Detonation in einer Litfaßsäule verletzt wird. Da staunt der Nachtwächter, Mickey Mouse und eine Frau freuen sich und das verängstigte Kaninchen hoppelt furchtsam davon. Nachdem der Tod Till Eulenspiegel an seine eigene Vergänglichkeit gemahnt, wird er nachdenklich und macht sich düstere Gedanken über sein Leben und vielleicht auch über sein Sterben. Doch so trübsinnig darf eine Geschichte nicht enden: Biene Maja reißt ihn aus seinen Gedanken und führt ihn zu honiggefüllten Waben und sprießendem Leben. – Happy End .
OK – zugegeben, die Geschichte ist schon etwas absurd und bleibt an vielen Stellen vage. Mit meiner „Geschichte über ein Bernburger Szenario“ wollte ich Ihnen die Möglichkeit aufzeigen, wie man mit der eigenen Fantasie eine Geschichte erzählen kann. Sie ergibt sich, wenn man mehr oder weniger in Leserichtung die einzelnen Szenen und Elemente des Bildes abtastet. Jeder/ jede von uns versucht automatisch, einen Sinn zwischen den einzelnen Bildern zu finden. Ihre Geschichte wird bestimmt von meiner abweichen. Jedoch – da bin ich mir ziemlich sicher – wird auch in Ihrer Geschichte der Tod vorkommen. Er ist in dem Blatt nicht zu übersehen. Geschichten zu erzählen war schon immer Aufgabe der Künstler. Aber auch, mit dem Kunstwerk ein Zeichen gegen die Sterblichkeit und den Tod zu setzen. Auch diese Tradition hält Patrick Fauck hoch. Ist Ihnen aufgefallen, wie viele Vanitassymbole sich in dieser Ausstellung befinden? Der Schädel ist nur der auffälligste. Gerade zu klassisch ist der, der uns aus dem Spiegel anguckt und uns an unsere eigene Vergänglichkeit gemahnt – selbst über das Selbstbildnis des Künstlers legt sich ein Totenschädel. Und ein Narr wie Till Eulenspielgel war seit der Renaissance eine Figur auch des Karnevals und gemahnte in dem lebenshungrigen Trubel an den Tod.
Das menschliche Leben kann nur zusammen mit dem Tod gedacht werden, der den Endpunkt setzt. Aber auch der Tod würde ohne das Leben davor nicht existieren. Liegt hierin nicht eine Grundwahrheit unseres Lebens und ist dies nicht vielleicht das Hauptthema von Patrick Faucks Bildern? Sind wir nicht alle Schwarzfahrer, die bei Mondschein elegant gekleidet auf einem beleuchten Fahrrad bei ausgeschalteter Straßenbeleuchtung in die Nacht hinausfahren. Oder ein großer Kleintierzüchter, der
bei der Präsentation seiner Kaninchen vor Stolz förmlich erstrahlt. Oder Lust und Laune verbreitende musizierende Clowns?
Patrick Fauck ist ein Mahner, der mit Ironie und Witz immer wieder daran erinnert, dass unser Leben im Nichts endet und viele Aktivitäten wie Kaninchenzucht und Radfahren letztendlich sympathische Eitelkeiten sind, die das Leben erträglicher machen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Rundgang durch die Ausstellung mit viel Sinn für Wortspiele, Entdeckergeist und Offenheit für die vielen Ideen, die wirklich zeigen, dass es ganz offensichtlich nicht gibt, was es nicht gibt.
Hanneke Heinemann
Samstag 15 – 18 Uhr
Sonntag 11 – 13 Uhr und 15 – 18 Uhr;
Besuch von Gruppen nach Absprache mit
der 2. Vorsitzenden des KVU Renate Schmidt,
Tel. 0581-76675 oder 0170-332 50 29
Freitag / Samstag 15 – 18 Uhr
Sonntag 11 – 13 Uhr und 15 – 18 Uhr
Im Umbau
Montag / Dienstag / Donnerstag 8.00 – 16.30 Uhr
Mittwoch 8.00 – 16.00 Uhr
Freitag 8.00 – 12.00 Uhr