mixed genres

16.11.2024 - 15.12.2024

Eröffnung: 16.11.2024 um 17:00 Uhr
Galerie im Theater an der Ilmenau
Greyerstraße 3, 29525 Uelzen

Öffnungszeiten

Samstag 15 – 18 Uhr Sonntag 11 – 13 Uhr und 15 - 18 Uhr; Besuch von Gruppen nach Absprache mit der 2. Vorsitzenden des KVU Renate Schmidt, Tel. 0581-76675 oder 0170-332 50 29
Gerd Gross Auf der Flucht
Gerd Gross Auf der Flucht

Zwischen Idylle und Statement

24 Kunstvereinsmitglieder zeigen rund 60 eigene Werke in der Galerie Theaterkeller

 

Die Universität Wien hat eine Studie gemacht. Was Aufgabe von Forschung ist. Der Titel, wie üblich auf Englisch, lautete: „How Lasting is the Impact of Art?“ Also: Wie nachhaltig ist die Wirkung von Kunst? Das wollte man ja schon immer mal wissen: Nützt Kunst? Und wenn ja, wie. Die Diskussion ist eine unendliche zwischen denen, die die Kraft der Kunst zur Humanisierung für möglich halten und jenen, die L`art pour l`art-Vertreter sind und meinen, Kunst solle ausschließlich sich selbst genügen. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit wie meist irgendwo in der Mitte. Aber! Die Universität der Donaumetropole hat herausgefunden (oder will herausgefunden haben), dass Teilnehmende der Studie, nachdem ihnen Arbeiten zum Thema „Schmerz“ gezeigt wurden, einen Einstellungswandel vollzogen. Sie seien weniger fremdenfeindlich, dafür sozialer und empathischer gewesen. Das wäre doch eigentlich zu schön, um wahr zu sein! Welch Potenzial! Man denke das mal zu Ende, spiele es durch…

Im Kunstverein Uelzen sind vom Samstag, 16. November 2024 (Vernissage 17 Uhr), bis Sonntag, 15. Dezember 2024, Arbeiten von Mitgliedern des Vereins zu sehen. Sie bedienen das Thema, dem sich der Kunstverein das ganze Jahr über verpflichtet hatte: „Natur und Mensch“. Herausgekommen ist – wie in der Vergangenheit immer – eine sehr sehenswerte Schau. Arbeiten von ambitionierten Laien und studierten Künstlern hängen einträchtig beieinander; und alle widmen sich dem Thema. Mal informell-abstrakt, mal naiver Malerei ähnlich.

Es ist eine schöne Vorstellung, dass die Betrachter, die Besucher der Ausstellung, danach (noch) sorgsamer mit der Natur umgehen. Denn die Künstler:innen sparen das Thema Klimawandel nicht aus. Von Ekkehard Hennes beispielsweise gibt es ein Bild mit eben diesem Titel. Das Gegenstück heißt „Elysium“! Und Yvonne Sommerfeld-Klinge fordert mit ihrer Arbeit „Save the bees“ (Rettet die Bienen). Die Apokalypse, die Albert Einstein in Worte fasste, dass es nach dem Verschwinden der Bienen nach nur vier Jahren auch keine Menschen mehr gäbe, hat sie in ihr Bild integriert. Genauso nachdenklich machend die Texte zu den Fotografien von Karin Mayer. Ihren „Naturräumen“ gesellte sie einen Hannah Arendt-Satz bei: „Freiheit ist nur in den Grenzen der Natur möglich.“

Auch Ilse Warnecke-Schulz treiben in ihren Collagen gesellschaftliche Themen um. Sie nahm anlässlich des Caspar-David-Friedrich-Jahres, das allüberall gefeiert wurde in diesem Jahr, dessen „Kreidefelsen auf Rügen“ und öffnete in der Mitte ein Zeitfenster. Um sich den Themen zuzuwenden „Sind wir zu viele?“, „Krieg und Frieden“ und „Uelzen trifft auf C.D. Friedrich“. Wobei die ersten beiden eine brennend gesellschaftliche Relevanz haben.

Natürlich aber gibt es in der neuen Kunstvereinsausstellung eine ganze Menge „fürs Auge“. Wo die Gedanken hell bleiben, die Welt ist schließlich düster genug. Aber: „Die Kunst ist – im Verhältnis zum Leben – immer ein Trotzdem“, sagte der ungarische Philosoph Georg Lukács. Und vielleicht wollen die meisten Werke auch so verstanden sein. Frank Rademachers „In Emil Noldes Garten“ etwa, der so schön ist, dass es kaum vorstellbar scheint. Oder Simona Staehrs „Heimfahrt“, auf der eine von Engeln begleitete Venus schwebt. Irene Werners „Lilaland“ mag man zu süß nennen, aber so sieht`s in der Heide im August eben aus. Für diesen Anblick kommen die Touristen in Scharen.

Über die handwerkliche Qualität der rund 70 Aquarelle, Öl- und Acrylbilder soll hier nicht geurteilt werden, die setzt man bei den Studierten voraus, bei den Malern aus Leidenschaft ist sie beachtlich. Beispielsweise bei Helga-Doris Kinstlers „Reflexion Schiff und Hafen“ oder besonders bei Yvonne Sommerfeld-Klinges „Verlassen“. Das „Eishockeyspiel“ von Gerd Gross hat eine ungeheure Dynamik, die, steht man ganz still und leise, auch Stadionatmosphäre auf den Betrachter überträgt.

„Menschliche Gesellschaft mit einem kulturellen Mindestanspruch ist auf Kunst angewiesen“, zeigte sich der Zeichner Harald Kretzschmar überzeugt in seiner Laudatio zum 250. Geburtstag der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig im Jahr 2014. „Um Ausdruck zu finden, zu kommunizieren, um Leben zu gestalten.“ Und genau das machen die Bilder: Sie finden den eigenen Ausdruck für Situationen, Eindrücke, Gefühle, Erlebnisse; sie gestalten und versuchen, mit den Betrachtern zu kommunizieren. Dass das mal mehr und mal weniger gelingt, mindert Anliegen und Wert der Ausstellung nicht.

Der Künstler Gerd Uecker nannte eine Ausstellung auch ein „sich Stellen“. Dem Publikum und nicht zuletzt sich selbst im Vergleich mit anderen. Das erfordert ein gewisses Quantum an Courage. Dafür ist allen Teilnehmenden herzlich zu danken. Dem Gestalterteam um Claudia Krieghoff-Fraatz ist eine beeindruckende, gefällige Hängung gelungen, die die Freude an den Bildern nirgendwo mildert

Vielleicht passt, in diesem Zusammenhang wieder einmal Friedrich Schiller zu zitieren, an dessen 265. Geburtstag in diesem Monat zu erinnern war, und der der Kunst diese Wirkung zuschrieb: „Was ich ohne dich wäre, ich weiß es nicht; aber mir grauet,/Seh` ich, was ohne dich Hundert` und Tausende sind.“  Deshalb sage keiner, dass ihn eine Ausstellung mit überwiegend Laien nicht interessiere – wir müssen, ja sollten, doch neugierig bleiben!

Barbara Kaiser – 14. November 2024

Werke

Bilder der Eröffnung