Frank Popp

"Eulenspiegel, ein Schiff und 99 Engel"

26.08.2017 - 24.09.2017

Eröffnung: um Uhr
Atrium und Foyer des Neuen Rathauses
Herzogenplatz 2, 29525 Uelzen

Öffnungszeiten

Montag / Dienstag / Donnerstag 8.00 - 16.30 Uhr Mittwoch 8.00 - 16.00 Uhr Freitag 8.00 - 12.00 Uhr
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„Ich bin ein exzessiver Sammler“

Zur Kunstvereins-Ausstellung mit Werken von Frank Popp im Rathaus

Vielleicht wird der Stolz der Uelzener, der ja manchmal auch ein etwas fragwürdiger ist – man denke an die Uhlenköpergeschichte, wo eine Blamage ein Denkmal wert ist – auf das rechte Maß gestutzt mit dieser Ausstellung. Wenn sich beispielsweise zur Vernissage im Rathaus die Flaschen mit 100 Wassern aus Seen, Teichen, Tümpeln, Leitungen oder der Ilmenau sammeln. Frank Popp hofft auf 100-Wasser-Flaschen, weil er seinen Kollegen dieses Namens nicht besonders mag, sich aber durchaus vor dem in der Stadt Geehrten zu verbeugen bereit ist. Auf seine Art. Oder wenn sieben von ihm installierte, mit Eulen verzierte Spiegel im Stadtgraben den Betrachter anblinken als wollten sie fragen: Fühlst du dich jetzt genauso hinters Licht geführt wie einst der Kaufmann mit den Eulen im Sack? Und was der Künstler mit Uelzens höchstem Schmuck, dem Goldenem Schiff macht! Er hat eins kreiert aus Strandgut, Plastik zumeist. Ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass auch das Uelzener Exemplar keineswegs aus Gold ist, obwohl es so tut, und der Müll in den Weltmeeren uns allen eines Tages zum Verhängnis werden wird, wenn wir nicht endlich etwas dagegen tun.

Der Hannoveraner Künstler Frank Popp ist zu Gast im Kunstverein und stellt bis zum 25. September im und ums Rathaus aus. An der Fassade prangt beispielsweise seine Figur
„Waechta Flora Semiramis“. Eine alte Schaufensterpuppe, deren Nährstoffleitungen im Unterleib Ranken mit künstlichen Früchten sprießen lassen. Die weibliche Form eines Wächters also über alle floralen Geschöpfe, verknüpft mit der Frau, die nach Herodot (Historien) eine der zwei Königinnen war, die ganz Asien regierten. Die namensgleichen Hängenden Gärten von Babylon, eins der Sieben Weltwunder, wurden ihr erst in der Neuzeit zugeordnet. – Bei Popp die Mahnung: Obacht! Was ihr esst!

Auf die Frage, ob solch opulente Gestalt denn auch etwas bewirkte im Wachen über die Natur, antwortet der Künstler rigoros: „Ich glaube nicht, dass in unserem System etwas oder
irgendwer aufpassen kann, weil das von ganz anderem bestimmt wird. Von Gewinn und Profit.“ Wie wahr. Es ist Nachdenkkunst, die im Rathaus zu besichtigen ist. Auch wenn der Titel „Eulenspiegel, ein Schiff und 99 Engel“ heiter daher kommt. Die Entwürfe des Künstlers sind Einwürfe; und so kann man in dem 75-Jährigen auch den Moralisten sehen. Keineswegs jedoch den bierernsten! Arnold Schönberg war der Meinung, dass Kunst von Müssen komme. Frank Popp muss.

Sich einmischen. Aufmerksam machen. Weil für ihn die Welt keineswegs in Ordnung ist, auch wenn jeder so tut, als habe er nur Spaß und alles sei prima. Popp will Probleme bewältigen, indem er Verbindungen schafft, weil alles irgendwie zusammenhängt. Das sei sein Credo: Verbindungen schaffen zwischen den Dingen der Welt. Um zu verstehen. Dabei legt er, wie sein Künstlerkollege Gerhard Merz (*1947), Wert darauf, dass „der Rezipient auf demselben Wissenstand sein (muss) wie der Künstler selbst, sonst entstehen ungewollte Bilder.“ Ungewollte Bilder will Popp nicht. Viel lieber will er Poesie und Ratio verbinden.

Er sei ein exzessiver Sammler bekennt der Mann, der 1941 in Königsberg geboren wurde und ab 1962 in Aachen Architektur studierte. Schon im Studium eine Malergemeinschaft mit zwei
Kommilitonen gründete. Von 1977 bis 2006 an der Hochschule Hannover Kunst und Design lehrte und eine rege künstlerische Ausstellungstätigkeit entfaltete.

Er sammle auf Müllkippen, an Stränden und auf Flohmärkten. „Das ist der Boden, auf dem meine Blüten wachsen“, gibt er zu Protokoll. Und was für welche! Nach Uelzen hat er auch
99 Engel mitgebracht. Zehn Monate lang hat er sich mit diesen Flügelwesen beschäftigt, herausgekommen sind Collagen, Zeichnungen und Malereien. Sie seien „eine Huldigung an
die Schönheit der Frau für mich als Mann“. Das klingt nur vordergründig nach Macho-Gehabe, denn diese Engelfrauen zeigen allesamt ein großes Selbstbewusstsein! Eine ist die Hommage an „Blauer Akt“ von Henri Matisse, eine andere könnte zu den frivolen Episteln an Ulla Winblad eines Carl-Michael-Bellman-Liedes passen. Die nächste einer Putte gleich, Vamp oder brav. Doch bedenken sollte man: Auch Luzifer war einst ein Engel!

Ein paar Eulen gibt es in der Ausstellung dazu. Popp beschäftigte sich mit den Tieren längst bevor sie salonfähig wurden auf allem möglichen Kitsch. Da ist die Eule Athenas, der Göttin der Weisheit, der Strategie, des Kampfes. Selbst überlebensgroß, wie es sich gehört für eine Zeus-Tochter, hockt die Eule, eher auch einem Engel gleich, auf ihrer Hand. Anstelle des Helms sitzt ein Metronom auf Athenes Kopf – hoffentlich gibt es den richtigen Takt vor, denn die Göttin trägt auch eine Waffe….

Mir gefällt ja am besten die „Kiste des Jean Paul Marat“. Da gluckt ein ziemlich griesgrämiges Tier aus Büchern und Zeitungspapier auf einer geöffneten Truhe, die ebenfalls ausgeschlagen ist mit Bedrucktem. Zu erkennen ein Bild der erstürmten Bastille des Juli 1789. Eine Menge Schriften, gebündelt, zusammengeschnürt und anscheinend ein wenig verstaubt. Sind die Ansichten von Marat wirklich keinen Sou mehr wert? Die kluge Eule wird darüber nachdenken, wie es scheint. Wenn sich die Truhe als Schachtel der Pandora erweist, ist es sowieso zu spät….

„Warum soll ich etwas schlechter machen, als ich es denken kann“, bringt Frank Popp seinen Ehrgeiz auf den Punkt. Und: „Ich bin kein Künstler, der immer sofort erkennbar ist. Mich erkennt man vielleicht an der Kombination; ich will Verbindungen schaffen.“ Da ist es wieder, sein Credo. Wobei Popp die klare Botschaft nicht an das Geheimnis der Kunst verrät. Weil es sonst nur Agitation wäre. Vielleicht hält er es eher mit Hegel, der davon überzeugt war, dass die Kunst als Instanz der Wahrheitsvermittlung eines Tages durch die
Philosophie abgelöst würde. Also: Gehirn einschalten vor den Arbeiten des Gastes im Kunstverein!

Barbara Kaiser
25. August 2017

Werke

Bilder der Eröffnung​