Bernd Uhde

"Landscapes and Surfaces"

Fotografische Kunst

07.03.2015 - 06.04.2015

Eröffnung: um Uhr
Schloss Holdenstedt
Schlossstraße 4, 29525 Uelzen

Öffnungszeiten

Im Umbau
Bernd Uhde_Paint Box 1_2013_Hahnemühle Papierdruck_100x150cm
Bernd Uhde_Paint Box 1_2013_Hahnemühle Papierdruck_100x150cm

Blickwinkel: Genau 90 Grad

Bernd Uhde ist nicht der Erste, der sich mit dem Fotoapparat in Vogelperspektive schwingt. Und natürlich weiß er von Yann-Arthus Bertrand (*1946), der seit den 1970er Jahren die Erde
von oben dokumentiert und für seine faszinierenden Bilder neben zahlreichen Ehrungen auch zum Ritter der französischen Ehrenlegion geschlagen wurde. Ging es dem Journalisten, Reporter und vor allem Naturschützer Bertrand darum, eine fotografische Inventur dieser Erde abzuliefern, geht es Bernd Uhde um Kunst. Obwohl er Gedanken zu unserer Umwelt und ihrem Schutz nicht leugnen will und sich freute, wenn die Betrachter seiner großformatigen Fotografien auch darüber nachdächten.

Die Gilde der Fotografen ist unverkennbar groß in diesem Landkreis. Das zeigte beispielweise eine Ausstellung im Rathaus Bienenbüttel vor einigen Jahren, wo allein fünf ihre Arbeiten zeigten. Hans-Ole Kuschmann stellte Marokko-Impressionen (AZ-Ausstellung) aus und verbeugte sich vor Landwirtschaftlichem der Region (Rapsfelder). Wolfgang Korte spürte als der Dokumentarist dem Zerfallenen nach. Es waren Fotos, die durch witzige Titel ihre morbide Traurigkeit zu verlieren schienen. Mit dabei war Ulrich Niehoff, der als Berufsfotograf nie ohne Kamera unterwegs ist und die Sanierungsarbeiten im Ortskern festhielt, die er durch gezielte Unschärfen verfremdete, sie jedoch trotzdem erkennbar hielt.
Bernd Uhdes Großformate fielen damals bereits auf durch die genau senkrechte Perspektive von oben. In der Weite der entstandenen Muster von Wiesen und Feldern konnte man sich
verlieren, weil sie keinen Horizont besitzen. Bevorzugte Uhde den vertikalen Blickwinkel, betonte sein Kollege Christoph Fröhlich die Horizontale, die einer gewissen Strenge huldigte
(Kanalbrücken).

Jetzt ist Bernd Uhde im Kunstverein Uelzen allein zu Gast. Unter dem Titel „Landscapes und Surfaces“ (Landschaften und Oberflächen) sind 40 Großformate zu sehen, die verschiedenen Serien entnommen wurden. Uhde hat Malerei studiert. Seinen Abschluss an der Hochschule machte er jedoch mit bewegten Bildern, einem Film. Nach dem Studium drehte er Dokumentationen. Nach einem Ballonfahrttreffen in Umbrien, wo er nach der Arbeit einmal in einem dieser Fluggeräte mitfuhr und fotografierte, „lagen (mit den Bildern) plötzlich Antworten auf dem Tisch, ohne dass ich eine Frage gestellt hatte.“ Denn auch in der Malerei hatte sich Bernd Uhde mit Landschaft und Struktur beschäftigt. Damals, mit den Fotografien aus dem Ballon, habe „sich ein Kreis geschlossen“, sagt er nun im Gespräch. Seitdem macht der in Bienenbüttel lebende Künstler solche Bilder, die er im Schloss Holdenstedt seinem Publikum präsentiert.

Natürlich habe er einen konzeptionellen Plan, sagt Uhde, ehe er sich mit der Kamera auf die Kufe eines Hubschraubers stellt und in die Luft geht. Er suche die Strukturen, die der Mensch
der Erde verpasste, seit es die historische Entwicklung zuließ, dass der Homo Sapiens sesshaft werden konnte. Dass es manchmal auch schmerzhafte Spuren sind, die er entdeckt, bleibt dabei nicht aus.

Der Fotograf unterscheidet nach urbanen Spuren und Agrarstrukturen. Sucht aber in den Ergebnissen seiner Arbeit immer auch nach Bezügen in der Kunstgeschichte. So nennt er ein Bild „Madonna“. Wer hier an die freizügige Pop-Ikone Madonna denkt, liegt falsch, denn die Treckerspuren im Schnee formen per Zufall einen Kopf, wie er vor allem Ikonen in der griechisch-orthodoxen Religion eigen ist. An anderer Stelle haben die Reifenabdrücke die Form betender Hände. „Prayer“ (Gebet), heißt die Fotografie folgerichtig. Albrecht Dürers Intention könnte einem auch einfallen.

„Ich suche nicht – ich finde“, zitiert Bernd Uhde Pablo Picasso. Uhde findet seine Bilder in der Umgebung seines Wohn-Hofes, obwohl er erst kürzlich auch auf Neuseeland in einen Hubschrauber stieg. Er wünschte sich von den Betrachtern, dass sie nicht insistierten, was auf den Bildern zu sehen ist oder wo sie aufgenommen wurden. Er „mache Kunst, keine
Dokumentation“; und zudem seien die Stellen sowieso der Vergänglichkeit anheim gegeben.

Ein Stückchen Vanitas!

Uhde betrachtet seine Arbeiten mehr als Malerei denn als Fotografie und hat nichts dagegen, wenn wir uns nur an deren Ästhetik erfreuen. Denn die haben die Objekte – mehr oder
weniger – ohne Zweifel. Die Bäume im Schnee erinnern an zarte Kalligrafien aus Asien. Die Aufnahmen eines Erzlagers im Hamburger Hafen sind robust und farbenfroh, wie Ayers Rock
oder der Grand Canyon.

Bernd Uhdes Motivation, für den Betrachter eine Realität darzustellen, die sich auflöst, anstatt sich zu erschließen, ist verwegen, regt den jedoch an für eine Suche nach eigener Vision oder Imagination. – Für seine Titel offenbart Uhde einen stillen Humor. So heißt ein riesengroßer Stapel verschneiter Holzpaletten „Woodstock“ (allerdings war im legendären Woodstock Sommer!), und den Schrottberg nennt er „Heavy metal“.

Die Arbeiten sind auch die Entdeckung der Poesie im Banal-Alltäglichen. Denn wie ließ Siegfried Lenz seinen Maler Nansen in „Die Deutschstunde“ sagen: „Man beginnt zu sehen,
wenn man aufhört, den Betrachter zu spielen.“ Den Unbeteiligten also, den „Coolen“, den durch Nichts Berührbaren.

Otto Dix verstand „alle Kunst (als) Bannung“. Bernd Uhde bannt mit entschiedenem Einsatz Weltsichten aus einer ungewöhnlichen Perspektive. Man könnte seine Kunst aufwendige Sinnlosigkeit nennen und sie der grassierenden Anonymität zuordnen, denn der Mensch existiert bei ihm nicht. Allerdings die Spuren, die der hinterlässt. Und darüber lohnt
nachzudenken allemal, denn es sind für diese Erde nicht immer leicht verkraftbare.

Zur Vernissage sprach der Journalist Michael Stoeber aus Hannover. Er bescheinigte Bernd Uhde den „göttlichen Blick“, den von oben, und zitierte Paul Cézanne, der alle Kunst als ein
Abbild der „Welt, gesehen durch ein Temperament“ verortete. Über das Temperament von Bernd Uhde kann man spekulieren und ihm vielleicht, wenn dem 65-Jährigen eines Tages die gefährliche Fliegerei zu waghalsig erscheint, eine Drohne empfehlen.

Barbara Kaiser
9. März 2015

Werke

Bilder der Eröffnung​